Der Reaktorleiter Stephan Welzel hatte am 26.06.2019 bei der FU-Veranstaltung "Der Forschungsreaktor in Wannsee: das Dialogverfahren zum Rückbau" im Rahmen der FU
Veranstaltungsreihe "Der Atomkonflikt in Deutschland – bis in alle Ewigkeit?" den Abschalttermin auf Mittwoch 11.12.2019 vorverlegt.

Also noch 17 Wochen bis zur Abschaltung. Grund genug, an dieser Stelle einen Countdown zu veröffentlichen. Countdown7

Im Rahmen des öffentlichen Dialogprozesses zum Rückbau des Berliner-Experimentier-Reaktors (BER II) traf sich die HZB-Geschäftsleitung am 12. August 2019 mit interessierten Mitgliedern der Begleitgruppe, um den neu entwickelten HZB-„Code of Conduct“ (Verhaltenskodex) vorzustellen und zu diskutieren (https://www.helmholtz-berlin.de/zentrum/forschungszentrum/cod_de.html)

Im Ergebnis entstand der Eindruck, dass sich das HZB zwar seiner besonderen Verantwortung in Bezug auf die über 60 Jahre währende Nutzung der Atomtechnologie zu Forschungszwecken am Standort Wannsee und für den anstehenden Rückbauprozess immer bewusster wird, eine grundlegende Auseinandersetzung mit ethischen Gesichtspunkten aber nach wie vor sehr unterbelichtet ist, wenn nicht sogar abgewehrt wird.
Das HZB spricht in seinem „Code of Conduct“ von der gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung und vom Wertesystem des HZB. Mit Hilfe dieses übergeordneten Regelwerks soll den Mitarbeitern in der täglichen Arbeit Orientierung vermittelt werden.

Dass die Übernahme von Verantwortung allerdings noch weit mehr beinhaltet und wo das HZB bei der Übernahme von tatsächlicher Verantwortung bezogen auf den BER II heute steht, soll hier stichwortartig anhand eines Stufenmodells aus einem finnischen Erziehungsprojekt verdeutlicht werden.

„Die Absicht des Modells ist es, (...) dazu anzuleiten, Verantwortung (...) zu übernehmen. Die Idee dabei ist, dass durch die Verantwortungsübernahme auch das Verantwortungsbewusstsein (...) wächst und die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung ( ...) abnimmt.“

„Verantwortungsübernahme bedeutet einen phasenweisen Prozess, wobei (...) [der Akteur - sei es eine Einzelperson, oder eine gesellschaftliche Gruppe -]

(1) damit einverstanden ist, darüber zu sprechen und zuzugeben, was er getan hat,
(2) zeigt, dass er die negativen Folgen seines Tuns versteht,
(3) sich für das Unrecht entschuldigt,
(4) damit einverstanden ist, für die Folgen seines Tuns aufzukommen, worüber mit anderen Beteiligten eine Vereinbarung getroffen wird,
(5) verspricht, etwas Entsprechendes nicht noch einmal zu tun und schon im Voraus eine Vereinbarung über die Folgen für den Fall trifft, dass er sein Versprechen bricht und
(6) Verantwortungsbewusstsein beweist, indem er in irgendeiner Weise sich daran beteiligt, entsprechendem Unrecht auch bei anderen vorzubeugen.“
(zitiert nach: http://www.kidsskills.org/German/verantwortung/)

Bezogen auf die Großforschung mittels der Atomreaktoren BER II in Wannsee durch das HZB bzw. mittels des Vorgänger BER I im Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung (HMI), bedeutet das:

(1): ZUGEBEN
Eine transparente Aufarbeitung und Offenlegung der gesamten Forschungsgeschichte (Entstehung, Beteiligte, Finanzträger, Forschungsinhalte, -ergebnisse, -verwertungen, …) ist gefordert. Mit der Habilitationsschrift von B.Weiss „Großforschung in Berlin“ ist für den Zeitraum bis 1980 schon eine gute Grundlage geschaffen. Diese Wissenschaftsgeschichte sollte durch ein unabhängiges, gut ausgestattetes Forschungssprojekt schnellstmöglichst fortgeführt werden. Die Zusage des HZB bzw. von dessen Finanzträgern [Bundesrepublik Deutschland (90%), Land Berlin (10%)] zur bedingungslosen Unterstützung und Förderung dieser Aufarbeitung der jüngsten Wissenschaftsgeschichte steht noch aus.

Hier steht das HZB: (Mal überlegen!)

 (2): VERSTEHEN
Eine detaillierte, allgemein verständliche Darstellung sämtlicher Folgelasten und potentiell auch zukünftiger Gefährdungen durch den produzierten radioaktiven Abfall muss der Darstellung der erzielten Forschungsergebnisse (aus 1) gegenüber gestellt werden.

Hier steht das HZB: (Da haben wir doch selbst keine Ahnung!)

(3): SICH ENTSCHULDIGEN
Unabhängig von der abschließenden Bewertung, ob die erzielten Forschungsfortschritte tatsächlich den verursachten Schaden für die Welt, Gesellschaft und Einzelbürger (z.B. Anwohner) überwogen haben und sich dadurch die Großforschungsanlage vielleicht auch ethisch nachträglich rechtfertigen lässt, ist zur Heilung des gesellschaftlichen Konflikts in Sachen Atomtechnologienutzung eine öffentliche Entschuldigung des HZB bei den Betroffenen erforderlich.

Hier steht das HZB: (Wieso? Wir haben doch nichts Schlimmes gemacht!)

(4): WIEDER GUTMACHEN
Das HZB muss damit einverstanden sein, das Geschehene bestmöglich wieder gutzumachen, bzw. die weiteren Folgen zu minimieren. Mit dem begonnenen „Dialog zum Rückbau“ hat das HZB einen Prozess begonnen, der in dieser Richtung erfolgreich bewirken kann, dass Betroffene tatsächlich durch Einblick und Kritikmöglichkeit Einfluss nehmen können. Dieser Prozess muss für die Öffentlichkeit weitestgehend transparent gestaltet werden.

Hier steht das HZB: (Machen wir doch! - aber alles hat natürlich seine Grenzen)

(5): VERSPRECHEN
Die Gefahr, die ehrenamtlich engagierten Personen aus der Rückbau-Begleitgruppe und damit die Öffentlichkeit aus Eigennutz über den Tisch zu ziehen, muss bestmöglichst ausgeschlossen werden (z.B. durch eine noch stärker wirkende öffentliche Selbstverpflichtung). Das HZB ist weiterhin gefordert sich geeigneten öffentlichen Prüfungsverfahren zu unterziehen, damit gewährleistet ist, dass auch zukünftig Forschungsmethoden ausgeschlossen werden, die entsprechende langfristige Schäden bewirken können. Ein stringenter und wirkkräftiger Ethik-Kodex und eine breit formulierte Zivilklausel ist für das HZB und darüber hinaus für die gesamte Helmholtz-Forschungsgemeinschaft anzustreben.

Hier steht das HZB:  (Das hören wir nicht so gern)

(6): VERANTWORTUNGSBEWUSSTSEIN
Das HZB in Wannsee bildet in der Berlin/Potsdamer Region ein Dreieck mit den Orten Dahlem, wo 1938 Otto Hahn die Urankernspaltung entdeckte, und Griebnitzsee, wo 1945 durch US-Präsident Truman der Befehl für die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki erging. Ausgehend von diesen Orten kann die Übernahme von tatsächlicher Verantwortung deshalb nur bedeuten, ein Signal in die Welt zu senden: „wir haben verstanden: wir beenden die Nutzung dieser Technologie vollständig, zeigen, dass erfolgreiche Forschung nicht darauf angewiesen ist und setzen uns dafür ein, dass sie im militärischen und zivilen Bereich auch weltweit (ggf. mit Ausnahme des kleinteiligen medizinischen Bereichs) Ächtung erfährt.

Hier steht das HZB: (Zurückschreck, so war‘s dann doch nicht gemeint)

Collage und Text: H.F.

 

Die älteren Countdown's finden Sie unter dem Menüpunkt "Stilllegung und Rückbau"