Die CDU/CSU interessiert sich für die deutschen Forschungsreaktoren, so scheint es jedenfalls - oder interessieren sie sich mehr für den Atommüll aus den Forschungsreaktoren?Forschungsreaktoren Deutschland 2007

Aber der Reihe nach:
Die Fraktion der CDU/CSU hat eine kleine Anfrage – Drucksache 20/5325 – zu einer Publikation des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung zum Ausstieg aus der Kernenergie "Atomausstieg in Deutschland: Viele Aufgaben in der nuklearen Sicherheit bleiben" an die Bundesregierung geschrieben.

Man muss anerkennen, dass diese kleine Anfrage in der Tat Sachthemen ins Rampenlicht gerückt hat, die beim deutschen Atomausstieg vielleicht nicht so geregelt und/oder kommuniziert worden sind. Will man die Informationen aus der kleinen Anfrage bewerten, sollte man aber im Hinterkopf haben, dass jede parlamentarische Anfrage aus bestimmten politischen Motivationen der Fragenden gestellt wird. Unterschrieben haben Friedrich Merz für die CDU und Alexander Dobrindt für die CSU, bekannt als Verfechter für die nukleare Technik. Gleichzeitig weiß man aber auch, dass die Bundesregierung dabei „grundsätzlich alle Informationen mitzuteilen [hat], über die sie verfügt oder die sie mit zumutbarem Aufwand erlangen kann.

Im Folgenden werden Teile der Antwort der Bundesregierung vom 02.02.2023 mit Bezug auf den BER II zitiert und bei Notwendigkeit aus Sicht der BI kommentiert:

  • "Forschungsreaktoren sind nicht Teil des Ausstiegsbeschlusses. Dieser bezieht sich nur auf die kommerzielle Stromerzeugung".
    Da hätten die Fragesteller vielleicht auch selbst drauf kommen können.

  • "Beim Forschungsreaktor BER II fielen bei den schwach- und mittelradioaktiven Abfällen in den Jahren 2011 bis zur Abschaltung im Jahr 2019 durchschnittlich pro Jahr 3 m3 brennbarer radioaktiver Abfall, ca. 0,4 m3 nicht brennbarer Abfall und 25 m3 flüssige Abfälle an. Für die Phase des Nachbetriebes ab dem Jahr 2020 voraussichtlich bis zum Jahr 2027 wird diesbezüglich von keinen veränderten Volumenströmen ausgegangen."
    Ob die Fragesteller wirklich nur etwas über die Volumina der Abfälle wissen wollten oder auch über die Aktivitäten, bleibt unklar. Zumindest fehlt in der Auflistung ein Hinweis auf die hochradioaktiven Abfälle. Und es bleibt ebenfalls unklar, warum prognostiziert wird, dass ein Reaktor im Nachbetrieb jährlich ähnlich viel Abfall produziert wie in der Betriebsphase.

  • "Kernbrennstoffe für Forschungsreaktoren sind auf die Bereitstellung eines möglichst hohen und homogenen Neutronenflusses für wissenschaftliche Experimente sowie einer möglichen Isotopenproduktion ausgelegt. Sie weisen dabei eine Vielfalt an Materialien als Brennstoff, Brennstoffmatrix und in der Ummantelung des der Brennstoffmatrix (Cladding), eine große Bandbreite der Abbrände sowie Bestrahlungshistorien im Vergleich zu Brennelementen für Leistungsreaktoren auf. Diese Faktoren sind zu berücksichtigen."
    Bei einem Deutsch-Aufsatz würde die Bewertung der Antwort lauten: "Thema verfehlt". Die Frage war klar formuliert: "Welche 'besonderen Anforderungen' ergeben sich für die Lagerung von radioaktiven Abfällen aus Forschungsreaktoren". Es bleibt also offen, welche besonderen Anforderungen es sind, damit all die genannten Faktoren Beachtung finden.

  • "Brennelemente aus dem BER II wurden bislang in die Vereinigten Staaten von Amerika rückgeführt; die noch vorhandenen 66 bestrahlten Brennelemente sollen in Deutschland zwischen- und endgelagert werden. Durch Änderung des Atomgesetzes im Zuge der Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes ist eine Verbringung der Brennelemente aus Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zu Forschungszwecken in das Ausland nur noch in Ausnahmefällen zulässig. Sie sollen bis zu ihrer Endlagerung in Ahaus zentral zwischengelagert werden."
    So der Plan – auch nachzulesen auf der Webseite der BASE! Aber gleichzeitig wissen wir um die Widerstände in der Bevölkerung von Ahaus (BI „Kein Atommüll in Ahaus“ e. V.), da ja die Bereitstellung eines Endlagers für hochradioaktiven Abfälle in weite Ferne gerückt ist und die Zwischenlager für solche Lagerzeiträume nicht konzipiert sind.


  • "Aus den Forschungsreaktoren wird eine Abfallmenge im Bereich von 10 bis 12 Mg Schwermetall (SM) erwartet. Zum Vergleich: es wird davon ausgegangen, dass etwa 10.500 Mg SM in Form bestrahlter Brennelemente aus den Atomkraftwerken (einschließlich der bereits angefallenen) anfallen werden, die endgelagert werden müssen."
    Gefragt wurde nach 'radioaktiven Abfällen'. Bei den Atomkraftwerken bezieht man sich nur auf die hochradioaktiven Abfälle aus Brennstäben. Sollte dieser Bezug auch bei den Forschungsreaktoren genommen worden sein?

  • "Am Stichtag 31. Dezember 2021 lagerten 66 abgebrannte Brennelemente mit rund 102 kg SM am Berliner Experimentier-Reaktor (BER II)."

  • "Für die Zwischenlagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen aus dem Betrieb und Rückbau des BER II bis zum Zeitpunkt der geologischen Endlagerung ist die Beantragung von Transportbereitstellungsflächen am Standort des Forschungsreaktors geplant."
    Kann man aus der genutzten Zeitform 'ist ... geplant' ableiten, dass die Planung der Transportbereitstellungsflächen abgeschlossen ist und nur noch beantragt werden muss?
    Welchen Zeitraum legt man zugrunde und wie realistisch ist dies bei offenen juristischen Verfahren (Salzgitter und die Region erneuern ihren Appell gegen Schacht Konrad)?

Dafür wird sich die CDU/CSU wahrscheinlich nicht interessieren:
Man sollte nicht vergessen, dass die Bundesrepublik mit der Bereitstellung von Forschungsreaktoren als Großforschungsgeräte dazu beigetragen hat, dass im Namen der Wissenschaft nukleare Abfälle in Größenordnungen produziert worden sind. Und man sollte ebenfalls nicht aus dem Blick verlieren, dass auch während des Betriebes der Forschungsreaktoren beträchtliche Mengen radioaktiver Stoffe über die Fortluft oder das Abwasser an die Umwelt abgegeben worden sind.
Auf eine retrospektive Kosten-Nutzen-Analyse des gesellschaftlichen Wertes der an den Forschungsreaktoren gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse im Vergleich zu den Kosten für

  • Investitionen,
  • laufenden Betrieb,
  • Rückbau und
  • Entsorgung des nuklearen Erbe,
  • sowie die monetäre Bewertung der Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen

können wir wahrscheinlich ewig warten.

Erklärung:
SM = Schwermetall
Mg SM = Tonnen Schwermetall
kg SM = Kilogramm Schwermetall

Link auf den parlamentarischen Vorgang:
https://dip.bundestag.de/vorgang/publikation-des-bundesamtes-f%C3%BCr-die-sicherheit-der-nuklearen-entsorgung-zum/295580

Link auf die Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Forschungsreaktoren_in_Deutschland.png