In unserem Beitrag: "Kernfusion im Lawrence Livermore National Lab?" (15.12.2022) zitierten wir das Max-Planck-Institut (MPI) für Plasmaphysik aus deren FAQs zur Frage: "Entsteht bei der Fusion radioaktiver Abfall?". Damals fand man beim Max-Planck-Institut folgende Version, die übrigens noch heute im Webarchiv gespeichert ist:
"Ein Fusionskraftwerk erzeugt radioaktiven Abfall, weil die energiereichen Neutronen, die bei der Fusion entstehen, die Wände des Plasmagefäßes aktivieren. Wie intensiv und wie lang andauernd diese Aktivierung ausfällt, hängt von den Materialien ab, auf welche die Neutronen auftreffen. Deshalb wurden und werden für die Fusion spezielle, niedrig-aktivierbare Materialien entwickelt.
Insgesamt wird ein Fusionskraftwerk während seiner etwa 30jährigen Lebenszeit je nach Bauart zwischen 60.000 und 160.000 Tonnen radioaktiven Materials erzeugen, das nach Betriebsende des Kraftwerks zwischengelagert werden muss.
Die Aktivität des Abfalls nimmt rasch ab: nach etwa 100 Jahren auf ein zehntausendstel des Anfangswerts. Nach ein- bis fünfhundert Jahren Abklingzeit ist der radiotoxische Inhalt des Abfalls vergleichbar mit dem Gefährdungspotential der gesamten Kohleasche aus einem Kohlekraftwerk, die stets natürliche radioaktive Stoffe enthält.
Bei sorgfältiger Materialauswahl ist eine Endlagerung nicht nötig: Nach einer Wartezeit von 50 Jahren können von der Gesamtmasse des Fusionsabfalls je nach Bauart 30 bis 40 Prozent unbeschränkt freigegeben werden. Der übrige Abfall kann nach weiteren 50 Jahren rezykliert und in neuen Kraftwerken wieder verwendet werden."
Liest man heute beim Max-Planck-Institut die Ausführungen zur Frage: "Entsteht bei der Fusion radioaktiver Abfall?", dann fehlt der von uns oben fett markierte Satz mit der Mengenabschätzung des radioaktiven Abfalls. Vielleicht wollte das zu begünstigende Max-Planck-Institut für Plasmaphysik den radioaktiven Abfall der Kernfusion bagatellisieren, damit diese ohne weitere dumme Nachfragen in den bayrischen Koalitionsvertrag aufgenommen wird. Dort kann man nun lesen:
"Im Bereich der Kernfusion hat Bayern insbesondere mit dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching bereits eine weltweit führende Position. Diese hervorragende Ausgangslage im technologischen Wettbewerb wollen wir nutzen. Mit der Umsetzung des Masterplans zur Förderung der Kernfusion und neuartiger Kerntechnologien wollen wir die Fusionsforschung intensivieren. Hierzu werden wir etwa ein Bavarian Fusion Cluster errichten. Perspektivisch streben wir den Bau eines eigenen Forschungsreaktors an."
Die Max-Planck-Gesellschaft schreibt in ihren "Hinweisen für verantwortliches Handel", dass eine von der öffentlichen Hand finanzierte wissenschaftliche Einrichtung auf das Vertrauen der Gesellschaft und der Politik angewiesen ist. "Eine glaubwürdige, verständliche und transparente Kommunikation ist deshalb essenziell.". Mit obiger Streichung hat das MPI zwar nicht gelogen, die Kommunikation ist aber weder glaubwürdig, noch verständlich oder transparent. Um diesen Kommunikations-Fauxpas verantwortungsvoll zu bereinigen, sollte der wissenschaftliche Background zu jeder der obigen Aussagen des MPI bezüglich des radioaktiven Abfalls eines zukünftigen Fusionskraftwerks unabhängig evaluiert und veröffentlicht werden.
Update vom 27.10.2023: Lesen Sie weiter zum Thema "Atommüll aus der Kernfusion" :
- Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB 2002): "Kernfusion"
- ISWR2 Wissen (SWR 2021/2022): "llusion Kernfusion – Der Traum von der besseren Atomenergie"
- BUND (09.01.2023): "Kernfusion – Ein unrealistischer, teurer, strahlender Traum"
- Leserbrief Prof. Dr. Rolf Bertram (26.05.2023): "Die verharmlosten Gefahren der Kernfusion"
Update vom 19.02.2024: Wir hatten zu obigem Beitrag mehrfachem Kontakt mit der Pressestelle des Max-Planck-Institutes für Plasmaphysik. Die übergebenen Informationen bildeten die Basis für nachfolgenden Beitrag: "Warum mehr Geld für die Fusionsforschung?" (19.02.2024)